„Es war zwar nicht unerwartet, aber ein so vielfältiges und durchweg beeindruckendes Festival wie das diesjährige Visual Sound Outdoor Festival in der Parzelle in Dortmund verdient ausdrücklich Lob. Angelika Hoffmanns kuratorische und konzeptionelle Philosophie zeichnet sich durch symbolische Kontraste aus, die letztlich alle klischeehaften Erwartungen unterlaufen. Wenn Hans Peter Hiby und Camila Nebbia beispielsweise nebeneinander stehen und ihre Saxophone zum Leuchten bringen, mag das zunächst einige Stereotypen auslösen: der alte, maskuline Haudegen und die junge, ambitionierte Powerfrau. Doch von Animus und Anima, von Yin und Yang war nichts zu spüren, sondern eher, wenn man so will, von Gender Mainstreaming, und das nicht nur, weil Hiby meist ein Altsaxophon spielt, während Nebbia ein Tenorsaxophon spielt, was an sich schon dem Klischee widerspricht. Zwei außergewöhnliche Talente auf Augenhöhe, natürlich mit jeweils eigenem Stil und individueller Phrasierung, aber ohne jede Spur von Alt gegen Jung, Mann gegen Frau, nur Ausdruckskraft und Hingabe. Umrahmt werden die beiden vom meisterhaften Paul Hession am Schlagzeug und der jungen Cellistin Julia Biłat, die zunächst zurückhaltend, fast schüchtern wirkt, dann aber im richtigen Moment explodiert und sich in den kollektiven, energiegeladenen Flow einbringt. Brötz war im Haus! Was für ein Spektakel!“

Bernd Lederer Freistil Magazin August 2025